Zugegeben: Wenn es um Wein geht, bin ich ein eher konservativer Mensch. Bei allen Vorteilen des Schraubverschlusses etwa signalisiert für mich ein Naturkorken einen besonderen Qualitätsanspruch und oft auch ein gewisses Reifepotenzial. Ob das in der Realität tatsächlich so ist, sei dahingestellt. Als eher traditionsbewusster Weintrinker hatte ich auch lange überlegt, ob es denn sinnvoll ist, entalkoholisierten Wein zu probieren oder gar darüber zu schreiben. Die Geschmackserfahrungen, die wir vor einigen Jahren mit entalkoholisiertem Sekt oder Secco gemacht hatten, hat zusätzlich für Skepsis gesorgt.
Einen anderen Blick auf die Dinge hat ein berufliches Gespräch mit einem Winzer gebracht, bei dem es irgendwann auf das Thema entalkoholisierten Wein gekommen war. „Leute wie Sie und für ich sind mit einer bestimmten Vorstellung davon aufgewachsen, wie Wein schmecken muss. Da gehörte der Alkohol dazu. Bei vielen Jüngeren ist das anders“, sagte der Winzer und brachte mich damit zum Nachdenken. Niemand gehört gerne zum alten Eisen oder zu einer Dinosaurier-Generation, auch kein traditionsbewusster Weintrinker.
Durch entalkoholisierte Weine probiert
Also habe ich mich in den vergangenen Wochen erstmals durch entalkoholisierte Weine probiert, und dabei auch die Grenzen der Pfalz verlassen, auch wenn ich bei meiner Empfehlung wieder dorthin zurückkehre. Kleines Zwischenfazit: Es hat sich einiges getan auf dem Markt für entalkoholisierten Wein, auch wenn nicht alles, was wir zusammen probiert haben, mein Fall war. Es fehlt letztlich eine Geschmacksdimension und Intensität, die durch den Alkohol geschaffen wird. Allerdings gibt es durchaus Weine, die weg vom Traubensaft gekommen sind und stark in Richtung frischen Weins gehen. Mein Favorit, der tatsächlich eine gewisse Rebsortentypizität aufweist, ist der Sauvignon Blanc aus der Linie Reverse des Weinguts Bergtold-Reif & Nett aus dem Neustadter Weindorf Duttweiler. Der Wein wirkt nicht nur optisch ansprechend, auch die Nase verrät eine schöne Fruchtigkeit, die an typisch-grüne Sauvignon-Aromen sowie an Pfirsich und Apfel erinnern. Dazu schmeckt der Wein leicht herb, was die stattliche Restsüße ausbalanciert, weswegen er nicht zu süß wirkt. Mit 12,50 Euro (im Handel) ist der Reverse nicht ganz günstig, allerdings ist der Vorgang der Alkoholextraktion auch aufwendig.
Der Trend ist ungebrochen
Der Trend zum alkoholfreien Wein ist ungebrochen, und auch in unserem Keller wird er einen festen Platz bekommen, zumal die Winzer mit zunehmender Erfahrung sicher noch bessere Ergebnisse auf die Flasche bringen werden. Dass er irgendwann ganz an die Stelle des auf traditionelle Weise gewonnen Kulturguts Wein treten wird, würde ich für unwahrscheinlich halten. Aber vielleicht sehen das kommende Generationen auch anders.