Reifer durch Sauerstoff
Warum Wein aus Holzfässern anders schmeckt als aus Edelstahltanks
Von Alexander Sperk
Transport und Lagerung von Wein im Holzfass haben eine lange Geschichte. Die Entdeckung, dass Weine, die im Holz reifen, ihren Geschmack verändern, erfolgte aber mehr oder weniger zufällig. Doch warum schmecken diese Weine anders als solche, die aus dem Edelstahltank kommen?
Waren Holzfässer vor allem in ihrer kleinen Ausführung als Barriques früher hauptsächlich Rotweinen und wenigen kräftigen Weißweinen vorbehalten, so lassen Winzer hierzulande mittlerweile auch einen Riesling oder einen Sauvignon Blanc im Holz reifen.Während die antiken Kulturen des Mittelmeerraums Wein vor allem in Amphoren aus Ton oder in Schläuchen aus Tierhäuten aufbewahrten, gelten aus Dauben zusammengesetzte Holzfässer zum Transport von Gütern und Getränken als Entwicklung der Kelten. Ein regelrechter Holzfassboom setzte im Zeitalter der großen Entdeckungsfahrten des 15. und 16. Jahrhunderts ein. „Das Holzfass wurde mit zunehmendem Weinhandel interessant, weil Holz ein leichter, gut zu transportierender Werkstoff ist“, erläutert Dominik Durner, Oenologieprofessor am Neustadter Weincampus: „Die Weinanbaugebiete liegen nicht nur wegen der Böden an Flüssen.“
Schnell bemerkten Weinhändler und Winzer, dass der Wein durch Transport und Lagerung im Holzfass seinen Geschmack veränderte – oftmals zum Positiven. Der Grund: Holz ist porös, daher findet ein geringer, aber regelmäßiger Sauerstoffaustausch statt. Diese Mikrooxydation führt zu einem harmonischeren Wein, der ein breiteres Spektrum an Aromen entwickelt. Umgekehrt kann eine abrupt hohe Sauerstoffzufuhr einen Wein im schlimmsten Fall ungenießbar machen.
Der Wein enthält viele Bestandteile, die auf Sauerstoff reagieren – vor allem Gerbstoffe. Dadurch verändern sich Farbe, Geruch und Geschmack. So verbinden sich etwa kleine Moleküle zu längeren Molekülketten, die den Wein sanfter und runder erscheinen lassen. Entscheidend dafür, wie schnell der Reifeprozess im Holzfass verläuft, ist die Größe des Fasses, genauer das Verhältnis von Volumen zu Holzoberfläche. Bei großen Fässern wird der Effekt auf den Wein geringer, da die Oberfläche gegenüber dem Volumen kleiner ist.
Ein zweiter Einflussfaktor kommt vom Holz selbst: Bei Barriquefässern, aber auch bei größeren Holzfässern, ist eine eigene Aroma-Komponente durch das Holz erwünscht. Deshalb werden das Innere des Fassrumpfs und zum Teil auch die Böden über einem offenen Feuer ausgebrannt – man spricht hier von „Toasting“. Das Ausbrennen dient der Ausbildung jener Aromastoffe, die typisch für Weine aus Barriquefässern sind – unter anderem Vanille, Zimt, Kokosnuss, Schokolade oder Kaffee. Fast alle Holzfässer zur Weinlagerung werden aus Eichenholz hergestellt. Akazie, Maulbeere, Esche oder Kastanie sind weitere Hölzer, aus denen Fässer gemacht werden.
Das ist die Kurzform eines Artikels, der in am 7. Juni 2016 in der RHEINPFALZ erschienen ist. Den Artikel in voller Länge gibt es hier.